© Fotocopyright: Larissa Mayer-Hausner
CrowdCircus.com: Kürzlich konntet ihr Euer Crowdfunding-Projekt mit der offiziellen Eröffnung des neuen Kunstrasenplatzes erfolgreich beenden. Rückblickend eine geniale Erfolgsgeschichte, die aber einen sehr ernsten Ursprung hatte: Kannst Du uns mehr über den Hintergrund Eurer Crowdfunding-Kampagne verraten?
Fabian Ringler: Hockey wird seit Jahren nur mehr auf Kunstrasen gespielt. Obwohl wir eine der größten und schönsten Sportanlagen Österreichs haben – der WAC war einst als „kleines Praterstadion“ bekannt – konnten wir die letzten Jahre mangels Kunstrasen weder unsere Trainings noch unsere Wettkämpfe auf diesem Juwel bestreiten, sondern mussten uns auf Fremdplätzen einmieten. Nicht zuletzt aufgrund der internationalen Erfolge unserer Nationalteams (Herren: Vizeweltmeister 2015) erfährt unser Sport regen Zulauf, was zu erhöhtem Eigenbedarf der mit Kunstrasen bestückten Wiener Vereine und geführt hat – die Mietverträge liefen heuer aus, somit war die Lage für uns existenzbedrohend. Seit Jahren haben wir ohne Erfolg mit der Stadt Wien und dem Bund um Förderungen verhandelt. Wir standen also mit dem Rücken zur Wand und mussten kreativ werden…
CrowdCircus.com: Für den Bau des neuen Kunstrasen-Platzes habt ihr insgesamt 500.000 EUR über eine spendenbasierte Crowdfunding-Kampagne gesammelt: Wie habt ihr den Schwarm so erfolgreich mobilisieren können? Habt ihr Euren UnterstützerInnen auch kleine Gegenleistungen („Rewards“) angeboten?
Fabian Ringler: Mehrere Faktoren waren meiner Meinung nach ausschlaggebend für den Erfolg der Kampagne. Erstens war der Druck bzw. die Bedrohungslage sehr hoch – ohne erfolgreiche Finanzierung wäre womöglich über 100 Jahre Hockeytradition am WAC zu Ende gewesen. Zweitens hatten wir ein sensationelles Anbot der STRABAG vorliegen und die Bereitschaft vieler Mitglieder, Manpower bei der Realisierung des Kunstrasenplatzes beizusteuern – was den Finanzierungsbedarf von der Utopie in den Bereich des Möglichen rückte. Drittens hatten wir zusätzlich ein zeitlich klar definiertes Korsett zu beachten: Um einen zeitgerechten Umsetzungsbeschluss für das Bauprojekt im Gesamtverein erwirken zu können, mussten wir innerhalb von 4 Monaten die Finanzierung sicherstellen. Viertens haben wir, bevor wir mit der Crowdfunding-Kampagne online gegangen sind, schon vorab über persönliche Ansprachen einige größere Unterstützer gewinnen können, sodass wir nicht bei null gestartet sind und somit die Dynamik von Beginn weg phantastisch war. Fünftens haben wir während der Kampagne intensiv kommuniziert: Zahlreiche Infoveranstaltungen für die eigenen Mitglieder, Crowdfunding-Infostände an sämtlichen Wiener Hockeyplätzen, bei denen wir einerseits Testimonials und andereseits unsere Jüngsten eingesetzt haben, um die gesamte Hockey-Community für das Projekt zu mobilisieren, Pressemeldungen sowie wöchentlich Newsupdates über den aktuellsten Finanzierungsgrad und über neue Spender. Entscheidend waren auch die kontinuierlichen persönlichen Ansprachen von unserem „Chief Sales Guy“ Robert Buchta.
Betreffend Gegenleistungen: Auf unserer Fundraising-Website konnten unsere Unterstützer Statements, Fotos und Links zu ihren Unternehmen platzieren, zudem haben wir all unsere Unterstützer auf einer Ehrentafel verewigt, die wir im Zuge der Eröffnungsfeier enthüllt haben. Größere Sponsoren haben auch klassische Bandenwerbung geboten bekommen.
Crowdfunding-Projekt WAC Heimstätte: Impressionen - vom Bau bis zur Eröffnung
13 Minuten-Clip über das Projekt "Heimstätte" der WAC Hockeysektion, das die Errichtung eines Hockeykunstrasens zum Ziel hatte und nach einem erfolgreichen 1/2 Million € Crowdfunding zu einem guten Teil durch tausende Stunden Freiwilligenarbeit umgesetzt wurde. Am. 9 September 2017 wurde der Platz feierlich eröffnet.
Fotogalerie: Das Crowdfunding-Projekt "WAC-Heimstätte"
Einige Impressionen der Umsetzung des Crowdfunding-Projekts "WAC-Heimstätte" finden interessierte Leser in den nachfolgenden Fotogalerien:
CrowdCircus.com: Was waren rückblickend gesehen die größten Hürden, die ihr meistern musstet, um Eure Crowdfunding-Kampagne erfolgreich abwickeln zu können?
Fabian Ringler: Eines hat sich sehr deutlich herauskristallisiert: Es sind sicher nicht die technischen Herausforderungen beim Aufsetzen einer Crowdfunding-Kampagne. Da gibt es heutzutage schon viele tolle Tools, die man vergleichsweise günstig nutzen kann. Und das, ohne ein Nerd sein zu müssen. Vielmehr ist es der intensive Informations- und Kommunikationsbedarf rund um die Kampagne. Es reicht nicht, seine Idee bzw. sein Projekt darzustellen, fein aufzubereiten, online-Bezahlsysteme bereitzustellen und zu hoffen, dass es dann ein Selbstläufer wird. Erst durch zeitintensive persönliche Ansprachen, durch den kreativen Aufbau von Emotion, durch Quick Wins und die regelmäßige Berichterstattung über den Projektfortschritt und die noch zu füllende Finanzierungslücke konnten wir erfolgreich mobilisieren. All das ehrenamtlich, aber doch professionell durchzuziehen, ist eine enorme Herausforderung. Und nicht jeder fühlt sich wohl, jemanden in die Augen zu sehen und um Geld zu bitten, selbst wenn es für einen guten Zweck ist. Da kann ich aus eigener Erfahrung sprechen. Das muss einem liegen, Gott sei Dank hatten wir in unserem Team Leute mit diesen Qualitäten…
Die größte Hürde im Kampagnenverlauf war, als wir zur ursprünglichen Deadline erst 90 % Finanzierungsgrad erreicht hatten, die Ferienzeit begonnen hat und wir den Druck hatten, die letzten 10 % in kürzester Zeit aufzustellen, um den Projektrealisierungsbeschluss in der für Herbst avisierten WAC-Generalversammlung zu erwirken. Um diese Hürde zu meistern, haben einige von uns auf den Urlaub verzichtet, um weitere Unterstützer zu akquirieren. Und sogar das Urlaubsbudget von einzelnen „Hockeyverrückten“ ist dann noch in das Projekt geflossen…
CrowdCircus.com: Im Gegensatz zu anderen – teilweise deutlich größeren – Sportvereinen habt ihr Euch dazu entschlossen, Eure Kampagne ohne der Unterstützung einer Crowdfundingplattform, also im Alleingang über eine selbst gebaute Website (http://www.wac-funders.club/) durchzuführen: Was steckte hinter dieser essentiellen Entscheidung, und würdet ihr heute wieder so entscheiden?
Fabian Ringler: Wir hatten vorab ziemlich konkrete Vorstellungen, wie wir unseren Auftritt gestalten wollten (Grafik, Content, Funktionalitäten), zudem war uns Datenhoheit, Flexibilität und Kontrolle über den Content zur Kampagne wichtig. Auch wollten wir Provisionen, wie sie auf manch anderen Crowdfundingplattformen zu bezahlen sind, vermeiden. Einen weiteren Vorteil haben wir in der eigenen Domain gesehen, die einen unmittelbaren Bezug zum Verein erkennen lässt. Wir wollten den vollen Fokus auf unser Projekt und keine „Nebengeräusche“ durch andere (Sport-)Fundingprojekte. Wir wussten, unsere Hauptzielgruppe ist die Österreichische Hockeycommunity und deren Umfeld und ein paar weltweite verstreute Hockeymaniacs, die so ein Projekt cool finden. Über Plattformen hätten wir zwar evtl. ein größeres Exposure gehabt, hätten aber unseren relevanten, unterstützungsbereiten Kern auch nicht wesentlich verbreitert. Und schließlich gab uns die eigene Lösung auch die Möglichkeit, nach der eigentlichen Funding-Kampagne auch über die Projektrealisierung über eine zentrale Domain zu berichten – unlimitiert und frei nach unseren Vorstellungen wie etwa Baustellenzeitrafferfilmen etc. All diese und weitere Faktoren haben zu der Entscheidung geführt, es selbst zu machen. Unter den gleichen Voraussetzungen würden wir daher eine eigene Lösung wieder bevorzugen, die Empfehlung hängt aber immer von den individuellen Prämissen ab.
CrowdCircus.com: Auf welche Crowdfunding-Projekt-Meilensteine blickst Du besonders gerne und stolz zurück?
Fabian Ringler: Auf den Websitenlaunch für die Kampagne, die ersten Benachrichtigungen von Zahlungseingängen über unsere Crowdfunding-Seite, die herzigen Kampagnenaktivitäten unserer Kinder auf sämtlichen Hockeyplätzen Wiens, auf die Unterstützung von anderen Hockeyvereinen und von Individuen aus dem Ausland (von Deutschland bis nach Australien), auf den Tag, als wir das Erreichen der 100 %-Marke des Fundingziels verkünden konnten. Stolz sind wir auch, dass wir nach unseren Web-Recherchen auf diversen Crowdfundingportalen bzgl. der größten erfolgreich abgeschlossenen Sport-Crowdfundingprojekte (abseits vom Fußball) mit unserem Projekt weltweit ganz vorne mit dabei sind…
CrowdCircus.com: Was würdet ihr Sportvereinen raten, die ebenfalls mit dem Gedanken spielen, auf Crowdfunding als Finanzierungsalternative zu setzten? Wie lautet Euer wichtigster Ratschlag für eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne?
Fabian Ringler: Je emotionaler aufgeladen ein Crowdfundingprojekt ist, desto besser sind die Erfolgsaussichten – trachtet danach, bei eurem Projekt mehr das Herz als die Ratio eurer Zielgruppe anzusprechen. Und das möglichst sympathisch, kreativ und engagiert. Versucht die Gratwanderung zwischen Utopie und „Gerade noch vorstellbar“ bzgl. des Fundingziels zu meistern. Seid euch vorab bewusst, dass der Kommunikationsaufwand groß und erfolgsentscheidend ist. Hebt jeden einzelnen eurer Unterstützer auf die Bühne und nicht euch selbst! Startet nicht bei 0 weg, sondern versucht frühe Untersützer ins Boot zu holen, bevor ihr euch an die Crowd wendet. Zieht euch als Motivation für euer Projekt bzw. für euer Projektteam die 5 Minuten-Clip von Derek Sievers „How to start a movement“ rein…:-)
CrowdCircus.com: Abschließend: Gibt es auch nach der erfolgreichen Realisierung Eures Crowdfunding-Projekts Möglichkeiten, Euren Verein zu unterstützen?
Fabian Ringler: Absolut. Zu einem richtigen Schmuckstück wird die ganze Anlage erst, wenn wir unsere sanierungsbedürftigen Sanitär-/Kabinen-/Partyräumlichkeiten hergerichtet haben. Dazu suchen wir weitere Unterstützer – und können im Gegenzug vielleicht neben klassischen Sponsoringgegenleistungen auch feinsten Content bieten!
Weil nicht nur das Crowdfunding war einzigartig an dem Projekt, sondern die Tatsache, dass uns viele der finanziellen Unterstützer freiwillig auch in der Bauphase tatkräftig zur Seite standen, um die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Was ich da erlebt habe, war mindestens ebenso sensationell wie die Crowdfunding-Kampagne selbst. Das Erlebte wurde auf tausenden Fotos festgehalten. Zudem habe ich einen Film als Zeitdokument über dieses einzigartigen Projekts gemacht. Einerseits als Wertschätzung für alle am Projekt Beteiligten, andererseits als Vehikel für weitere Sponsoren, die all unseren berührenden Content als Gegenleistung nutzen wollen, sofern sie die Renovierung unsere Kabinen- und Sanitärräumlichkeiten mit Sach- und Geldleistungen unterstützen wollten…wir bieten quasi höchst authentischen Stoff für Werbung à la Hornbach!
CrowdCircus.com: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!
Über den WAC:
Der WAC, ältester, traditionsreichster und einer der erfolgreichsten HOCKEYVEREINE in Österreich (über 60 Staatsmeistertitel der Damen und Herren sowie unzählige Nachwuchsmeistertitel), beheimatet am einst als „kleines Praterstadion“ bezeichneten WAC-Platz, benötigte dringend ein Hockey-Kunstrasenfeld, um den intl. bzw. nationalen Anforderungen gerecht zu werden – Hockey wird nur mehr auf Kunstrasen praktiziert.
Das Kunstrasenprojekt „Heimstätte“ war für den WAC von existenzieller Bedeutung, da die bereits seit Jahren praktizierten Anmietungen von Trainings- und Wettkampfzeiten abseits der Heimat aufgrund von wachstumsbedingten Kapazitätsengpässen innerhalb der Wiener Hockeyinfrastruktur mittel- bis langfristig nicht mehr gewährleistet war.
Nach jahrelangen, letztlich erfolglosen Verhandlungen mit der öffentlichen Hand gelang es der Hockeysektion des WAC nun, für das Projekt „Heimstätte“ innerhalb von nur 4 Monaten, durch eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne (Details auf www.wac-funders.club) die benötigte Finanzierung von über einer halben Million Euro aufzustellen.
Über Fabian Ringler:
WAC-Urgestein, bis zum errungenen Europameistertitel 2010 selbst noch in der Nationalmannschaft aktiv und seither als Vizepräsident im Österreichischen Hockeyverband für Strategie, Entwicklung und Marketing zuständig. Versucht mit neuen Initiativen und kreativen Ansätzen den Hockeysport in Österreich weiterzubringen. Während eines Postgraduate-Programms an der Harvard Business School in Boston konnte er erleben, welchen Stellenwert der Sport in Kombination mit der Ausbildung hat, welch gigantische infrastrukturellen Voraussetzungen und welch hervorragende Unterstützungsstrukturen auf administrativer und individueller Ebene für Athleten vorherrschen. Für ihn waren diese Eindrücke derart inspirierend, dass ihn die Idee antreibt, die Lücke zwischen heimischen Rahmenbedingungen für den Sport und jenen, wie er sie in den USA erleben durfte, ein wenig zu schließen. Seither setzt er - im Brotjob als Risiko- und Chancenmanager tätig - leidenschaftlich innovative Initiativen an der Schnittstelle zwischen Sport, Business und Technologie um.
Kontaktmöglichkeit: Fabian Ringler auf LinkedIn