CrowdCircus: Die Coronavirus-Pandemie hat 2020 unser aller Leben auf den Kopf gestellt: Wie hat sich die Gesamtsituation auf Ihr Team und Ihre Plattform ausgewirkt? Wo lagen die großen Herausforderungen & Chancen des COVID-Umfelds?
Elisabeth Blum: Unser Crowdfunding für Gemeinwohl spiegelte heuer den gesamtwirtschaftlichen Trend wieder: Vorhaben wurden vonseiten der ProjekteinreicherInnen verschoben oder gestoppt, teilweise wird umkonzipiert. Der verursachte Betreuungsaufwand – letztendlich ohne Umsetzung – schmerzte mitunter sehr. Nichtsdestotrotz hat die Crowd 2020 fünf sehr schöne Projekte finanziert. Unverändert bleibt in unserem Fall: Jedes eingereichte Vorhaben durchläuft den dreistufigen Evaluierungsprozess, um das Gemeinwohl-Siegel zu erlangen – die Voraussetzung, um überhaupt auf die Plattform zu kommen und finanziert zu werden. Diesen Prozess konnten wir 2020 verfeinern, indem wir dem Gemeinwohl-Beirat – neben den FachexpertInnen und der Mitglieder-Community die dritte Prüfinstanz – eine neue Geschäftsordnung gaben.
Eine positive Seite der Krise: Das Team hielt inne und initiierte in Hinblick darauf, worum es eigentlich geht, die „Corona Soforthilfe für Mitglieder“: Das Prinzip Crowdfunding wurde auf das direkte finanzielle Wohlergehen von Menschen umgelegt, und SpenderInnen halfen wirtschaftlich akut betroffenen Genossenschaftsmitgliedern via Crowdfunding-Plattform direkt unter die Arme. Die Aktion stieß in der Community auf so großen Anklang, dass wir sie dreimal durchgeführt haben.
CrowdCircus: Auf welche erreichten Meilensteine 2020 werden Sie und Ihr Team noch länger stolz zurückblicken?
Fritz Fessler: Wir freuen uns besonders über den Erfolg unserer „Corona-Soforthilfe für Mitglieder“. Dabei verzichtet die Genossenschaft auf die sonst beim Crowdfunding übliche Plattformgebühr, damit 100% der Spenden bei den betroffenen Menschen ankommen. Mittlerweile konnten wir über unser Fundingtool weit mehr Spenden einsammeln als die bisher insgesamt beantragte Geldsumme. Die Genossenschaft für Gemeinwohl versteht sich ja als Interessensgemeinschaft für Menschen, denen ein gemeinwohlorientierter Umgang mit Geld am Herzen liegt. Dabei fokussiert sie auf einen Wandel im Geld- und Finanzsystem, der durch konkrete gemeinwohlorientierte Finanzdienstleistungen, kritische Finanzbildung und das Einwirken auf gesetzliche Rahmenbedingungen zu erreichen ist. Mit der Genossenschaft wurde darüber hinaus auch ein Raum gestaltet, in dem in Situationen wie der aktuellen Corona-Thematik gegenseitige Unterstützung von Mitglied zu Mitglied möglich ist. Mit der „Corona Soforthilfe für Mitglieder“ haben wir ihn genutzt – jetzt, wo solidarisches Handeln besonders wertvoll ist!
Und auch unsere 2020 finanzierten Projekte können sich sehen lassen: Vom Montessorihaus über Game Changer-Technologien für Bioprodukte bis zur fairen App für online-Kommunikation war die Palette inhaltlich wieder sehr breit und hat gezeigt, wie vielfältig, ideenreich, freud- und wirkungsvoll die Arbeit „am Gemeinwohl“ aussieht, wenn man sie nur ermöglicht.
CrowdCircus: Wie beurteilen Sie die Fortschritte auf regulatorischer Seite? Sind die Pläne für den EU-Crowdfunding-Pass als „großer Wurf“ einzustufen? Wo sehen Sie noch Raum zur Optimierung?
Elisabeth Blum: Für uns als Plattform mit Fokus auf Nachrangdarlehen-Projekte nach dem Alternativfinanzierungsgesetz sind diese Neuerungen nicht relevant, weshalb wir weiterhin unsere bewährte Plattform ohne Umbau fortführen können.
CrowdCircus: Mit welchen Erwartungen gehen Sie in das neue Jahr? Mit welchen Initiativen und Entwicklungen darf man 2021 von Ihrer Plattform rechnen?
Fritz Fessler: Natürlich arbeiten wir laufend an der Optimierung der operativen Abläufe, aber abgesehen davon wollen wir unseren Prozess der schon erwähnten Gemeinwohl-Prüfung ausbauen. Das geschieht ganz im Sinne unserer Vorstellungen, wohin sich Crowdfunding insgesamt entwickeln soll – und auch alle anderen Finanzierungsformen. Demzufolge würde – am besten ab sofort – auch bei Kreditvergaben in Banken der betriebswirtschaftlichen Risikoprüfung eine verpflichtende Gemeinwohl-Prüfung zur Seite gestellt, um soziale, ökologische und ethische Kriterien mit zu berücksichtigen.
CrowdCircus: Vielen Dank für das Gespräch & weiterhin viel Erfolg, Frau Blum und Herr Fessler!